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Trotz des in Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention explizit verankerten Rechts auf Teilhabe am inklusiven Bildungssystem sind Kinder und Jugendliche mit Behinderung noch immer von Diskriminierung bedroht. Stigmatisierende Einstellungen von Lehrkräften gegenüber Schülerinnen mit Förderbedarf spielen dabei eine wichtige Rolle. Studien weisen darauf hin, dass eine Vielzahl an Faktoren stigmarelevante und inklusionsbezogene Einstellungen beeinflussen können: die zugeschriebene Ursache für eine Behinderung, Merkmale der potentiell stigmatisierten Personengruppe (z. B. Art der Behinderung, Geschlecht) und schulalltagsbezogene Merkmale wie der individuell wahrgenommene Unterstützungsbedarf oder die Aussicht auf Lernerfolg der Schülerinnen. Der aktuelle Forschungsstand zeigt diesbezüglich jedoch kein einheitliches Bild (Zensen & Röhm, 2021).
Vor diesem Hintergrund wurde in einem 3 × 2 × 2 × 2 × 2 Online-Experiment mit Fallvignetten untersucht, inwiefern die Behinderungsart (ADHS vs. SES vs. kognitive Behinderung), das Geschlecht (weiblich vs. männlich), die zugeschriebene Ursache für die Behinderung (biologisch vs. psychosozial), der individuelle Unterstützungsbedarf (hoch vs. niedrig) sowie die Aussicht auf Lernerfolg (hoch vs. niedrig) eines porträtierten Kindes stigmarelevante Einstellungen sowie Selbstwirksamkeitserwartungen in Bezug auf die schulische Inklusion von Lehramtsstudierenden und Lehramtsanwärterinnen (N=605) beeinflussen.
Eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA) ergab unter anderem, dass biologische Ursachenzuschreibungen zu einer pessimistischeren Selbstwirksamkeitserwartung im Hinblick auf schulische Inklusion führen als psychosoziale Ursachenzuschreibungen. Verschiedene Faktoren, wie das Vorliegen einer kognitiven Behinderung und einer niedrigen Aussicht auf Lernerfolg, verstärken diesen Effekt. Der Ausbildungsstand der Befragten (Studierende vs. Lehramtsanwärterinnen) hat hierbei einen moderierenden Einfluss. Der Vortrag diskutiert daraus resultierende Implikationen für die schulische Praxis und die universitäre Lehramtsausbildung.